Das große Ausmaß des weltweiten Mikroplastik-Problems ist nicht mehr zu übersehen. Das meiste Mikroplastik entsteht beim mechanischen Abrieb von Reifen.
Weltweit werden Schätzungen zufolge etwa sechs Millionen Tonnen Reifenabrieb jährlich freigesetzt. Eine Studie des Frauenhofer-Instituts in Deutschland zeigte, dass 43% des in die Natur freigesetzten Mikroplastiks durch
Reifenabrieb verursacht wird, was jährlich etwa 1,2 kg pro Person entspricht. Diese Abriebpartikel sind allerdings ein Hauptbestandteil vom Feinstaub in der Luft und gelangen durch den Regen in den Boden und damit auch weiter in das Grundwasser.
Vor allem nach Starkwetterereignissen und bei Schneeschmelze werden hohe Konzentrationen dieser persistenten Partikel in Gewässer und ins Abwassersystem freigesetzt. Kläranlagen können zwar einen Großteil des Reifenabriebes aus Abwasser absondern, allerdings wird in vielen Regionen noch immer Klärschlamm, mitsamt des Mikroplastiks, als Dünger auf Felder ausgebracht, wodurch es wieder in Böden und Grundwasser gelangt.
Die Zusammensetzung von Reifen ist komplex. Für Mensch und Umwelt ist das mit Risiken verbunden, denn die Zusammensetzung von Reifen ist ein komplexer Prozess mit zum Teil nicht unbedenklichen Komponenten. Die Hauptbestandteile sind synthetischer und/oder natürlicher Kautschuk und Füllmaterialien, wie Industrieruß und Kieselsäure. Während des Vulkanisationsprozesses werden viele Chemikalien (Stabilisatoren, Antioxidantien, Weichmacher, etc.) verwendet, um den Reifen die gewünschten Eigenschaften zu verleihen.
Vieler dieser Substanzen (z.B. Zink und organische Verbindungen wie PAKs, Benzothiazole, Phthalate, usw.) sind
allerdings toxisch und lösen sich leicht aus Reifen. Durch abiotische Einflüsse wie UV-Strahlung und durch die
Metabolisierung nach Aufnahme von diesen Substanzen können Transformationsprodukte entstehen. Diese sind ebenfalls toxisch. Dies ist z.B. der Fall von 6PPD, einem Antioxidans, das mit Ozon zu hoch-toxischem 6PPD-Chinon reagiert und welches zu regelmäßigem Fischsterben führt. Organismen nehmen die Partikel bzw. die gelösten Chemikalien auf und reichern sie im Körper an, was zur Biomagnifikation, also der Anreicherung entlang der Nahrungskette, führt.
Aber nicht nur Tiere sind davon betroffen. Eine Studie der Universität Wien zeigte, dass mehrere problematische Substanzen, inkl. 6PPD, auch von Pflanzen aufgenommen werden. Für uns Menschen bedeutet dies, dass wir dem Reifenabrieb nicht nur über die Feinstaubbelastung ausgesetzt sind, was zu Asthma, Allergien und Lungenkrebs führen kann, sondern, dass wir viele dieser problematischen Substanzen des Reifenabriebes über die Nahrung aufnehmen.
Die Konsequenzen sind verschieden. Während manche der Substanzen entwicklungs- oder neurotoxisch sind, interagieren andere Substanzen mit der Hormonsystem und können unter anderem zu Stoffwechselerkrankungen führen. Im Rahmen des „European Green Deal“ wurden bedeutende Maßnahmen, wie dem Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft und dem Null-Schadstoff-Aktionsplan, zum Schutz unserer Umwelt und somit unser aller identifiziert.
Damit scheint sich nun der Nachhaltigkeitsgedanke auch in der Reifenindustrie angekommen zu sein. Marktführer wie Michelin und Continental streben nicht nur klimaneutrale Produktionen an, sondern legen auch großen Wert darauf, Materialien aus recycelten und/oder nachwachsenden Ressourcen zu verwenden.
So gibt es bereits erste Reifen mit synthetischem Kautschuk aus Birkenrinde bzw. Löwenzahn. Auch über das Recycling von PET-Flaschen für die Reifenproduktion wird gesprochen. Diese Maßnahmen sind ein wichtiger Schritt zu einer nachhaltigeren und zirkulären Wirtschaft.
Wie steht es allerdings um die Umweltverträglichkeit von diesen vermeintlich „grünen“ Reifen, wie sie von Herstellern bezeichnet werden?
Im Zuge eines Forschungsprojektes an der Fachhochschule Technikum Wien adressierten wir diese wichtige Frage und verglichen zwei Fahrradreifen von Continental auf ihre Umweltverträglichkeit. Erste Ergebnisse zeigten, dass Reifenabrieb des herkömmlichen Grand-Prix-Reifens mit petrobasiertem Kautschuk und des „grünen“ Taraxagum-Reifen mit Kautschuk aus Löwenzahn in öko-toxikologischen Tests vergleichbar abschnitten. Beide Reifen enthielten Substanzen, die sich leicht aus dem Abrieb lösten, bioverfügbar und hoch-toxisch waren.
Ein nachhaltiges Produkt sollte somit Nachhaltigkeitskriterien (inkl. ökotoxikologische Risikobewertung) nicht nur in der Produktion sicherstellen, sondern auch in der Nutzungs- und in der „End-of-Life“-Phase. Reifenhersteller stehen hier vor einem Problem, denn bis dato gibt es keine unbedenklichen Additive für Reifen, die ein Produkt mit vergleichbaren Sicherheitsstandards während des Gebrauchs (wie Grip, Bodenhaftung, usw.) gewähren.
Die Konsument:innen sollten sich also nicht der Illusion hingeben, dass die „grünen Reifen“ in der Nutzung
„besser“ für unsere Umwelt sind. Einzig die Vermeidung von Reifenabrieb ist derzeit die echte „grüne“
Lösung für dieses Umweltproblem. Daher ermutige ich alle dazu, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen und lokal einzukaufen, um lange Transportwege zu vermeiden. Und falls ein eigenes Fahrzeug (Auto, Motorrad, etc.) nötig ist, sollte man den Fahrzeugtyp - das Gewicht ist ein entscheidender Faktor - und den Fahrstil überdenken!
Die aktuellste Studie des österreichischen Umweltbundesamts stammt aus dem Jahr 2021 und untersuchte 39 verschiedene Fahrzeug- und Technologiekombinationen. Dabei wurden die Umwelteffekte von den verschiedenen alternativen Antriebstechnologien wie ICE, HEV, PHEV, FCEV und BEV, sowie unterschiedlichen Kraftstoffen wie fossil flüssig und gasförmig, synthetisch flüssig, grüner und grauer Wasserstoff und unterschiedliche Stromquellen in verschiedenen Fahrzeugsegmenten wie Kleinwagen, Kompaktklasse und Oberklasse verglichen und dargestellt. Die Analyse der herstellungsbedingten Emissionen der wichtigsten Fahrzeugbestandteile sind auch inkludiert. Die so ermittelten Emissionswerte unterliegen Schwankungen in Abhängigkeit von den zugrunde gelegten Annahmen und wurden deshalb in Bandbreiten ausgewiesen.
Fazit der Studie
Der größte Hebel zur Vermeidung von Treibhausgas-Emissionen (THG-Emissionen) liegt dabei in allen Bereichen der Herstellung im eingesetzten Energiemix entlang der Herstellungskette, insbesondere in der Zusammensetzung des eingesetzten Stromes, sowie in der Substitution von Primärrohstoffen durch Rohstoffe, die durch Aufbereitung (Recycling) wiederverwertet werden (Sekundärrohstoffe). Ebenso wurden für die Emissionen aus der Energiebereitstellung Bandbreiten ermittelt, da die diesbezüglichen Emissionen bei Strom, Wasserstoff und strombasierten synthetischen Kraftstoffen teils deutlich variieren können.
Die niedrigsten THG-Emissionen verursachen batterieelektrische PKW (BEV) bei Einsatz von 100% Strom aus erneuerbaren Energiequellen, sogar unabhängig vom gewählten Fahrzeugsegment. Die Bandbreite beträgt zwischen rund 50g CO2eq (Kleinwagen) und 100g CO2eq (Oberklasse) pro gefahrenen Kilometer. Werden die BEV mit Strom in der durchschnittlichen österreichischen Zusammensetzung betrieben, erhöhen sich diese Werte auf 86g CO2eq (Kleinwagen) bis 157g CO2eq (Oberklasse) pro gefahrenen Km. Im Vergleich zu einem rein fossil angetriebenen PKW verursachen BEV, bei 100% Grünstrom, je nach Fahrzeug-segment zwischen 67% (Oberklasse) und 79% (Kleinwagen) weniger Treibhausgas-Emissionen.
Die zusätzlichen Emissionen, die bei der Herstellung des Elektro-PKW entstehen, sind bei 100% erneuerbarem Strommix nach 35.000 gefahrenen Kilometern und bei durchschnittlichem österreichischem Strommix nach 45.000 gefahrenen Kilometern wieder eingespart.
Wegen des hohen Primärenergiebedarfs für die Erzeugung von e-Fuels empfiehlt die Studie, e-Fuels nur dort anzuwenden, wo energieeffizientere Technologien, wie batterieelektrische Antriebe in ihrem Einsatz beschränkt sind, wie z.B. im Flugverkehr.