Die neue Interessensvertretung
Bio ist gerade im Lebensmittelhandel seit Jahren ein stark wachsendes
Segment. Einerseits durch die Ausweitung der Bio-Sortimente/Eigenmarken der großen Händler wie Billa und Spar, aber vor allem auch durch die immer weiterwachsende Anzahl an Kaufleuten, die sich zu 100% dem Handel mit Bio-Lebensmitteln verschrieben haben.
Im Sommer 2022 initiierten Elisabeth Krainz-Blum, Geschäftsführerin von Mein Müli in Linz und Horst Moser,
geschäftsführender Gesellschafter des Biogroßhändlers Biogast das „Forum Biofachhandel“. Dieses Forum ist
österreichweit tätig, der Vereinssitz ist in Wien.
Liebe Elisabeth, lieber Horst, warum braucht es ein „Forum Biofachhandel“? Was war Eure Motivation für die Gründung des Vereins?
Schon in den 90er Jahren und auch danach gab es immer wieder Bestrebungen, sich als Biohändler:innen zusammen zu tun. Denn der Biofachhandel hatte in Österreich keine gemeinsame Stimme. Aber letztendlich hat immer der entscheidende Funke gefehlt. Doch Corona und Inflation änderten alles für den Biofachhandel. Zuerst ein Bio-Boom durch die Corona-Pandemie, dann der Einbruch durch die steigende Inflation.
Da war für uns klar: Wir müssen uns zusammentun und als Branche in der Öffentlichkeit sichtbarer werden. Wir haben dann 2022 den Verein gegründet und Mitstreiter:innen gesucht.
Wer sind eure Mitglieder und wie kann man Mitglied werden?
Grundsätzlich sind wir eine Branche mit sehr vielen Quereinsteiger:innen und einem hohen Frauenanteil. Heidi Wallner, Inhaberin der „Spitzwegerich KG“ in Leibnitz, ist ein gutes Beispiel. Sie war als Bankerin in Liechtenstein Geldwäschebeauftragte im Compliance Management.
Jetzt führt sie einen wunderbaren Bioladen im Herzen von Leibnitz. Unsere Mitglieder sind zertifizierte Bioläden aus ganz Österreich mit einem Bio-Vollsortiment.
Bei Interesse kann man uns gerne anrufen odervia Website kontaktieren.
Welche Ziele und Aufgaben verfolgt ihr mit dem „Forum Biofachhandel“?
Nach außen wollen wir der Bio-Branche eine starke Stimme geben und das Bewusstsein für einen unabhängigen Handel stärken. Nach innen haben wir das grundsätzliche Verständnis, dass wir nicht in Konkurrenz sind, sondern voneinander profitieren können, indem wir uns austauschen, Best-Practice-Beispiele aufgreifen und voneinander lernen. Wissensvermittlung ist uns daher wichtig. Wir wollen klare Positionen einnehmen zu Themen wie zum Beispiel „Neue Gentechnik“ oder „Regionalität“. Auch gemeinsame Aktivitäten als Einkaufsgenossenschaft werden von uns gerade entwickelt und vorbereitet. Denn es macht Sinn, wenn wir uns beim Einkauf von Energie oder bei Zahlungssystemen zusammentun.
Ist die Wirtschaftskammer (WKO) als Vertretung aller Pflichtmitglieder auch für Euch da?
Grundsätzlich schon. Rund 90% des Lebensmitteleinzelhandels sind in Händen der „Großen Drei“. Das prägt auch die Arbeit der Wirtschaftskammer. Der kleinstrukturierte Biofachhandel braucht aber etwas Anderes.
Wir haben ein besonderes Profil und besondere Werte. Darum ist es sinnvoll eine eigene Vertretung zu haben.
Was zeichnet „echte“ Bio-Kaufleute aus, und welche ganz besonderen Bedürfnisse habe diese?
Im Grunde geht es um ein Modell für eine bessere Welt: Nicht Gewinnmaximierung seht im Vordergrund, sondern die beste Lebensmittelqualität, wertschätzende Zusammenarbeit aller Betrieben in der Wertschöpfungskette, respektvoller Umgang mit der Natur und Verantwortungsbewusstsein. Ein Bioladen ist der Ort, an dem es die besten im Handel verfügbaren Lebensmittel gibt. Und der Bioladen ist der Ort, an dem der persönliche Kontakt und das Gespräch wichtig ist. Oft sind wir auch Seelsorger in der Gemeinde.
Können sich die Menschen Bio noch leisten? Gefährdet die hohe Inflation die Existenz des Biofachhandels?
Wie sich zeigt, sind Bio-Produkte aktuell eher die Preisbremse. Ursache dafür ist die nachhaltigere, energie-reduzierte, bioregionale Arbeitsweise. Es gibt keine intensiv beheizten Gewächshäuser, keine gentechnisch veränderten Sojabohnen als Futtermittel und keine energieintensiv produzierten chemischen Düngemittel, die den Preis hochtreiben. Aber es stimmt schon, die Inflation geht auch an uns nicht vorbei. Bei einer Umsatzrendite von 1 bis 3% kämpfen wir mit vierfachen Strompreisen, 20% höheren Mieten und 20% höheren Löhnen. Auch wenn wir darum unsere Preise etwas erhöhen mussten, ist der Unterschied zu konventionellen Lebensmitteln deutlich geringer geworden. Das ist ein Vorteil für uns.
Ab-Hof-Verkauf und Hofläden gewinnen immer mehr an Bedeutung. Ist denn „regional“ das neue Bio?
Ist „Regionalität“ eine Chance für den Biofachhandel? Wie wichtig ist sie für eure Kund:innen?
Für uns ist „regional“ ein Green-Washing-Begriff. Denn regional ist sehr schwammig und macht keine
klare Aussage, ob die Produkte aus der unmittelbaren Umgebung sind. Regionalität ist auch kein Qualitätsbegriff. Denn in der Region wird auch chemisch gedüngt und Gift gespritzt. In der Region werden konventionelle Produkte angebaut, von Bauern, die man möglicherweise zwar kennt, die sich aber nicht zu Bio-Qualität bekennen wollen. Aus dem Begriff „Region“ lässt sich daher keine Qualität ableiten. Hier braucht es mehr Aufklärung und eine Klarstellung. Uns geht es um „Bioregionalität“, also biologische Produkte aus der Region. „Bioregionalität“ verbindet die erwartete Qualität mit der Region. Bioregionale Produkte haben im Biofachhandel von Anfang an eine wesentliche Rolle gespielt und sind aus dem Biofach-handel nicht mehr wegzudenken.
Blicken wir zum Abschluss noch in die Zukunft. Wie würdet ihr diesen Satz ergänzen?
„Das Forum Biofachhandel ist in 5 Jahren …
... ein erfolgreicher Verein, der zur Verbreitung des Biogedankens in der Gesellschaft einen wesentlichen Beitrag leistet. Wir haben uns gut vernetzt und sehen uns als Interessensvertretung und wertvoller Sozialpartner.“