Vegetarische Kulinarik
17. September 2024Technologieoffenheit
17. September 2024„Dann gilt es, sich gemeinsam auf den
Purpose und die Werte zu verständigen.
Und sich des gemeinsamen Wollens der
Veränderung zu versichern.“
Barbara Jany
Organisationsentwicklerin,
Coaching und Moderatorin
www.inovato.at | www.dieturbine.at
Purpose und Werten verpflichtet
Unternehmen im Verantwortungseigentum sichern ihr
ideellen Werte
Ein Familienunternehmen findet keine:n Nachfolger:in und soll weitergeführt werden. Auch die Ursprungsidee soll bleiben.
Ein junges Unternehmen will sicherstellen, dass Gründungszweck und Erfolg erhalten bleiben, und nicht die Investor:innen ihre rendite-orientierten Ziele in den Vordergrund stellen.
Ein etabliertes Unternehmen, das sich seiner gesellschaftlichen Verantwortung bewusst ist, will die Agilität und die Eigenverantwortung der Mitarbeitenden steigern.
Für all diese Unternehmen stellt das Verantwortungseigentum eine Möglichkeit dar, diese Ziele umzusetzen. Diese Unternehmensform ist in Dänemark längst etabliert und weit verbreitet. Mehr als 1000 Unternehmen werden dort so geführt. In Deutschland nimmt die Debatte darüber seit einigen Jahren deutlich an Fahrt auf. Selbst der deutsche Bundespräsident Steinmeier hat sich im Herbst 2023 als Befürworter deklariert. Rund 200 Unternehmen im Verantwortungseigentum gibt es hier. Darunter „Alte“ wie Zeiss oder Bosch, oder „Jüngere“ wie Alnatura oder Ecosia.
Was aber steckt hinter dem Begriff „Verantwortungseigentum“?
Das wichtigste Prinzip ist, dass das Unternehmen sich selbst gehört. Seine Anteile werden von jenen Menschen gemeinsam gehalten, die sich Purpose und Werten verpflichtet fühlen. Sie alle haben Stimmrechte, ziehen aber keine Gewinne daraus. Vielmehr werden diese im Sinne des Unternehmenszwecks investiert.
Allfällige Investor:innen erhalten eine Dividende, verfügen aber hingegen über keine Stimmrechte. Die Unternehmensanteile sind nicht übertrag- und vererbbar. Scheidet ein:e Miteigentümer:in aus, fallen diese Anteile ans Unternehmen zurück – zum Nominalwert, um Spekulationsinteressen zu unterbinden. Purpose und Werte des Unternehmens stehen im Vordergrund und werden besonders geschützt. Dies erfolgt derzeit großteils durch sehr aufwändige Doppelstiftungsmodelle oder über ein Konstrukt, in dem ein Prozent der Stimmanteile von einer unabhängigen gemeinnützigen Einrichtung gehalten wird. Diese ist Wächterin des Purpose und hat Vetorechte, sollten Entscheidungen fallen, die dem Unternehmenszweck widersprechen.
Allerdings sind das Hilfskonstruktionen. In Österreich und Deutschland gibt es keine Rechtsform, mit der die Ansprüche des Verantwortungseigentums gut abgedeckt werden können. Das ist mit ein Grund für die Debatte im Deutschland. Ein entsprechender Gesetzesentwurf besteht, wurde bislang aber nicht umgesetzt.
Gemeinsame Verantwortung leben
Was aber bedeutet es in der Praxis, wenn alle Eigentümer:innen, und das sind nicht selten alle Mitarbeitenden, auch Unternehmer:innen sind?
Sie tragen die Verantwortung für den Unternehmenserfolg und seine Zukunftsfähigkeit gemeinsam.
Wie soll das aber funktionieren? Ist es nicht so, dass dort, wo alle verantwortlich sind, letztendlich keine:r die Verantwortung übernimmt?
Auch Unternehmen im Verantwortungseigentum brauchen klar definierte Zuständigkeiten und Entscheidungsrahmen, bis hin zu denjenigen, die das Unternehmen nach außen vertreten. Ein Unternehmen, das in dieser Form getragen wird, kann klassische Hierarchien aufweisen oder die durchdeklinierten Rollenkonzepte einer Holokratie. Und immer braucht es Führung, in welcher Form auch immer sie gelebt wird. Es braucht Klarheit und Verbindlichkeit.
Eine Spielart aus der Praxis
Auch unser Beratungsunternehmen INOVATO führen wir gemeinsam in Orientierung an die Prinzipien des
Verantwortungseigentums. Momentan sind wir sieben Eigentümer:innen, die sich als Unternehmer:innen unserem Purpose und unseren Werten verpflichtet fühlen. Ein Beirat wird darauf achten, dass entsprechend entschieden und gehandelt wird. Die Verantwortung für Managementaufgaben haben wir untereinander aufgeteilt. Wesentliche Entscheidungen treffen wir miteinander im Konsent-Verfahren. Die Geschäftsführung hat ein Vetorecht in haftungsrelevanten Themen und ansonsten keine Aufgabenbereiche in der Unternehmensleitung.
Vor einem Jahr haben wir das seit 30 Jahren bestehende Unternehmen von seinem Gründer und Alleineigentümer Franz Auinger übernommen. Er ist nun einer der sieben gleichberechtigten Eigentümer:innen. Noch sind nicht alle unsere Mitarbeiter:innen Miteigentümer:innen. Idealerweise gelingt uns auch diese Weiterentwicklung im Laufe der kommenden Jahre.
Es braucht das gemeinsame Wollen
Wie bei vielen Themen, die auf dem Papier klar und simpel wirken, handelt es sich bei solchen Veränderungen um Transformationsprozesse mit all ihren Herausforderungen. Deshalb brauchen sie Zeit und fundierte
Auseinandersetzungen. Oft bedeutet es, Unklarheiten auszuhalten, Geduld für die unterschiedlichen Anpassungstempi aufzubringen und manchmal auch Konflikte auszutragen. Dann gilt es, sich gemeinsam auf Purpose und Werte zu verständigen und sich des gemeinsamen Wollens der Veränderung zu versichern.