Purpose und Werten verpflichtet
17. September 2024Kollaborative Räume der Zukunft
17. September 2024„Die Grenzen der Offenheit werden aber auch dann erreicht, wenn ausreichend Wissen vorhanden ist und normative Zielsetzungen mehrheitsfähig sind – wenn Technologien mit unzumutbaren Risiken einhergehen oder die Gesundheit von Menschen gefährden.“
Michael Ornetzeder
Wissenschafts- und Technikforscher
www.oeaw.ac.at/ita/ornetzeder
Technologieoffenheit
Wann macht es Sinn, und wann nicht?
In unserer modernen Welt hört man immer öfter den Ruf nach mehr Technologieoffenheit. Dieser Appell richtet sich meist an Gesellschaft und Politik, die sich als liberal und progressiv verstehen.
Doch wie sinnvoll ist es tatsächlich, in Bezug auf bestimmte technische Alternativen prinzipiell offen zu sein? Gibt es Grenzen, die eine Schließung Optionen rechtfertigen?
Die Forderung nach Technologieoffenheit gründet auf dem Prinzip, dass in einer liberalen Gesellschaft der Markt bestimmen sollte, welche Technologien sich durchsetzen und welche nicht. Doch woher stammt dieser Begriff, und was steckt dahinter?
Die Wurzeln liegen in der Ökonomie, die davon ausgeht, den Markt als ultimativen Entscheider für technologische Fortschritte anzuerkennen. In diesem Prozess durchlaufen technische Entwicklungen oft Phasen der Suche nach neuen Alternativen (Variationen), gefolgt von Phasen der Schließung, in denen sich schließlich bestimmte Varianten und Konzepte durchsetzen.
Doch wer profitiert eigentlich von Technologieoffenheit und wer von Schließung? In der Regel profitieren Innovatoren und Start-ups von Offenheit, da sie die Möglichkeit haben, neue Ideen auf den Markt zu bringen. Offenheit kann aber auch etablierten Unternehmen zugutekommen, die von altbewährten Technologien profitieren, die sie kostengünstig produzieren und vermarkten.
Die Motive hinter diesen Positionen sind vielfältig und reichen von wirtschaftlichen bis hin zu politischen Interessen. Auch die Kosten der Technologie- offenheit sind nicht zu vernachlässigen.
Wer zahlt für diese Offenheit?
Oft ist es die öffentliche Hand, die jahrzehntelang in Entwicklungen investiert oder mögliche Verbote verhindert, um den Innovationsprozess am Laufen zu halten. Diese Investitionen können jedoch auch notwendige Entwicklungen in der Gesellschaft verzögern.
Ein entscheidender Faktor bei der Frage nach Offenheit oder Schließung ist das verfügbare Wissen über Nutzen, Nebeneffekte und Risiken. Beispiele wie Asbest, DDT, Autos ohne Katalysator und Glühbirnen zeigen, dass Verbote in diesen Fällen gesellschaftlich sinnvoll waren und letztlich zu bedeutenden Innovationen geführt haben. In diesen Fällen dienten Verbote als entscheidender Innovationstreiber.
In Bezug auf technische Alternativen offen zu sein, kann durchaus Sinn machen. Von besonderer Bedeutung ist Technologieoffenheit in den frühen Phasen der Forschung und Entwicklung. Hier sollten die Neugier und Kreativität der Forscherinnen und Forscher nicht eingeschränkt werden. Offenheit ermöglicht es, eine breite Palette von Ideen zu erkunden und Innovationen voranzutreiben.
Dies ist entscheidend für den Fortschritt in Bereichen wie erneuerbare Energien, Medizin und Informationstechnologie. Auch in Phasen technischer Variation und in der Forschung macht Offenheit Sinn. So können viele Ideen gefördert, der Wettbewerb gestärkt und Pfadabhängigkeiten vermieden werden.
Doch sie kann auch Entwicklungen hemmen, wenn es etwa um Systementscheidungen geht, die den Aufbau von Infrastrukturen betreffen. In solchen Fällen ist es aus volkswirtschaftlicher Perspektive notwendig, Systementscheidungen zu treffen und damit alle anderen Optionen auszuschließen. Die Grenzen der Offenheit werden aber auch dann erreicht, wenn ausreichend Wissen vorhanden ist und normative Zielsetzungen mehrheitsfähig sind, wenn Technologien mit unzumutbaren Risiken einhergehen oder die Gesundheit von Menschen gefährden.
Die Entscheidung, ob Technologieoffenheit oder -schließung angemessen ist, sollte nicht allein dem Markt überlassen werden. Die Gesellschaft und politische Entscheidungsträger spielen eine entscheidende Rolle dabei, die langfristigen Auswirkungen von Technologieentscheidungen zu bewerten. Es ist ihre Aufgabe sicherzustellen, dass die Interessen der Allgemeinheit geschützt werden und dass Technologien verantwortungsvoll eingesetzt werden. Technologieoffenheit ist ein wichtiges Prinzip in einer modernen Gesellschaft. Sie fördert Innovationen und den Wettbewerb, was zu technologischem Fortschritt führt.
Dennoch gibt es Situationen, in denen eine Schließung oder Regulierung, bis hin zu einem Verbot, notwendig ist, um die Interessen der Allgemeinheit zu schützen. Die Entscheidung, wann Offenheit oder Schließung angemessen ist, sollte auf einer sorgfältigen Analyse der Umstände und einer Abwägung der Vor- und Nachteile basieren. Nur so können wir sicherstellen, dass Technologien zum Wohl der Gesellschaft eingesetzt werden und die Balance zwischen Fortschritt und Stabilität gewahrt bleibt.