unserer Art des Wirtschaftens
Dass sich die klimatischen Veränderungen zu einem Problem ausgewachsen haben, das nur schlimmer werden kann, solange die Treibhausgasemissionen nicht auf praktisch Null zurückgefahren werden, ist nicht mehr zu übersehen.
Dass sich die klimatischen Veränderungen zu einem Problem ausgewachsen haben, das nur schlimmer werden kann, solange die Treibhausgasemissionen nicht auf praktisch Null zurückgefahren werden, ist nicht mehr zu übersehen. Weniger bewusst ist Vielen die Dringlichkeit des Problems: Bei einer globalen Mitteltemperatur, die über etwa ein Jahrzehnt mehr als 1,5°C über dem vorindustriellen Niveau liegt, können sogenannte Kipp-Punkte überschritten werden, die einerseits eine Rückkehr zu einem früheren Klimazustand unmöglich machen, und andererseits den Veränderungsprozeß dramatisch beschleunigen und in seiner Dimension potenzieren könnten. Wie es Johan Rocktröm beim Weltwirtschaftsforum in Davos 2021 ausdrückte, kann es durch einen Domino-Effekt von Kipp-Punkten zu einer planetaren Katastrophe kommen, mit Verschiebung des Monsungürtels und den damit verbundenen Niederschlagsgebieten und -zeiten, und in Europa einer Abkühlung um etwa 30°C im nördlichen Winter, und in Österreich zu größerer Trockenheit und Stürmen. Dies alles könnte, nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen, viel früher einsetzen, als noch vor wenigen Jahren gedacht.
Deswegen ist es so beunruhigend, dass Bemühungen um Klimaschutzmaßnahmen auf europäischer und österreichischer Ebene immer wieder mit Hinweis auf den einen oder anderen zu schützenden Wirtschaftszweig blockiert werden. Diese Diskussion leidet darunter, dass Zeithorizonte nicht explizit angesprochen werden: Was kurzfristig gut ist für die Wirtschaft, kann mittel- und langfristig in die Katastrophe führen, und umgekehrt kann es sehr sinnvoll sein, kurzfristig Einbußen in Kauf zu nehmen, um mittel- und langfristig zu profitieren.
Dennis Meadows beschreibt das folgendermaßen: Leicht zu lösende Probleme sind solche, bei denen der Weg von einem Ausgangszustand zu einem zukünftigen, besseren Zustand über eine stetige Verbesserung führt. Schwierige Probleme, und dazu gehört der Klimaschutz, können zunächst die Inkaufnahme einer Verschlechterung erfordern, damit es überhaupt zum Erreichen des erwünschten Zieles kommen kann, während Pfade, die zunächst Verbesserungen bringen, zum Absturz führen.
Eigentlich liegt es ja auf der Hand, dass Umstellungen zunächst Kosten verursachen. Wenn man wegen dieser Kosten auf Änderung verzichtet, dann kann sich das Drama der deutschen Automobilindustrie wiederholen. Von der Bundeskanzlerin geschützt durch deren erfolgreiche Opposition gegen sinnvolle und vorausschauende EU-Gesetzgebung, hat die deutsche Automobilindustrie den Übergang zur Elektromobilität und zur Schaffung anderer Standbeine verpasst und kämpft jetzt in einer teuren Aufholjagd gegen die technisch fortgeschrittene internationale Konkurrenz. Ausgang ungewiss.
Wenn der Erfolg von Maßnahmen nur kurzfristig gemessen wird, dann schneidet der eigentlich erfolgversprechende Weg oft schlecht ab. Das gilt in der Politik und in der Wirtschaft. Deswegen ist es so wichtig, langfristiges Denken wieder stärker im allgemeinen Bewusstsein und in Politik und Wirtschaft zu verankern: Es geht um Enkerl-, nicht Kindertauglichkeit!
Auf einer anderen Ebene geht es um das, was die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel 2021 angesichts der Überschwemmungskatastrophe im Ahrtal, als „notwendige Volltransformation unserer Art des Wirtschaftens“ bezeichnet hat. Was sie genau darunter verstand, hat sie nicht ausgeführt, aber eine Transformation des Wirtschafts- und Finanzsystems könnte den Weg in eine wünschenswerte, nachhaltige Zukunft öffnen.
Es bedarf eines Wirtschaftssystems, das sich nicht ausschließlich auf finanziellen Gewinn, und Effizienz als Mittel zur Maximierung des Gewinnes konzentriert, sondern auch Resilienz, die ökologischen Grenzen des Planeten und unbezahlte Care-Arbeit berücksichtigt, und das nicht wachsen muss, um stabil zu sein. Das ist nicht dasselbe, wie „grüne Wirtschaft“.
Und es geht um ein Finanzsystem, in dem Banken wieder zu ihrer ursprünglichen Funktion zurückkehren, und in dem Geld nicht als Handelsware, sondern als Handelserleichterung verstanden wird.
Eine Volltransformation unserer Art des Wirtschaftens hätte u.a. auch Auswirkungen auf Produktionssysteme, das Energie- und Verkehrssystem, das Bildungssystem und das Gesundheitssystem, das derzeit besser als Krankheitssystem zu bezeichnen wäre, weil jedes einzelne Teilsystem aus wirtschaftlichen Gründen Interesse daran haben muss, dass die Menschen krank sind und krank bleiben. (Ärzte und Pflegepersonal seien aus dieser pauschalen Bewertung ausgenommen.)
Der dringend benötigte Klimaschutz könnte der Türöffner für Verbesserungen in so vielen Bereichen sein, die jetzt hinsichtlich ihrer Ausrichtung defizitär sind, weil sie nicht auf das Gute Leben für Alle innerhalb der ökologischen Grenzen des Planeten ausgerichtet sind, wie es dem internationalen Konsens, festgeschrieben in der Agenda 2030 und den Nachhaltigen Entwicklungszielen (SDG), entspricht.
Die Wirtschaft ist dazu aufgerufen, einerseits innerhalb des bestehenden Systems so nachhaltig wie möglich zu agieren, gleichzeitig aber andererseits die Volltransformation unserer Art des Wirtschaftens im Sinne der Ziele der Agenda 2030 voranzutreiben. Das ist zugegebenermaßen ein Spagat, aber ein notwendiger, denn nur durch die Mitwirkung der Wirtschaft bei der Gestaltung einer enkerltauglichen Zukunft, kann unbeherrschbarer Klimawandel verhindert werden!